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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 26.08.2004:

Immer einen Schritt voraus

Eine Stiftung mit Gewicht: Die Bertelsmann Stiftung

Insgesamt 12.000 gemeinnützige Stiftungen existieren in Deutschland, wobei sich jede fünfte der Bildung und Forschung verschrieben hat. Die meisten davon sind von Privatpersonen ins Leben gerufen worden und versuchen, im Rahmen ihrer beschränkten finanziellen Möglichkeiten zu fördern - meist mittels Einzelstipendien oder ausgelobten Wettbewerben. Der Öffentlichkeit ist das Gros dieser Stiftungen unbekannt. Popularität genießen fast nur die großen Stiftungen wie die Robert-Bosch-Stiftung, die VW-Stiftung, die Hertie-Stiftung oder das wohl bekannteste Aushängeschild, die Bertelsmann Stiftung.  

Diese unterscheidet sich von den meisten anderen Stiftungen dadurch, dass sie ausschließlich "operativ" tätig ist, also nur in eigene Projekte investiert. Die Stiftung sieht sich als "Motor" der Reformen, die unser Land dringend braucht, als Vordenker, der Entwicklungen  voranbringt. Als politisch und wirtschaftlich unabhängige Organisation, die nur ihren Leitwerten Freiheit, Wettbewerb, Solidarität und Menschlichkeit verpflichtet ist, kann die Bertelsmann Stiftung eher als die anderen, meist Einzelinteressen verpflichteten Teilnehmer des politischen Diskussions- und Entscheidungsprozesses, neue Wege gehen und neue Lösungen finden, die letztlich nur von der Sorge um das Gemeinwohl bestimmt sind", erklärt Dr. Richard Wagner, Leiter des Bereichs Kommunikation der Bertelsmann Stiftung.  

Die Vorstellung, wie die Stiftung Reformen voranbringt, wurde bereits bei der Gründung 1977 in der Satzung unmissverständlich formuliert: "Die Aufgabe der Stiftung besteht darin, Lösungsmodelle für gesellschaftliche Problemstellungen und Zukunftsfragen zu entwickeln, diese in den öffentlichen Diskurs zu tragen und damit den Handlungsdruck auf die Politik zu erhöhen." Gründer der Stiftung ist Reinhard Mohn, Mehrheitsaktionär der Bertelsmann AG, der sich mit der Stiftung einen Traum verwirklicht hat, weil er "das oberste Ziel eines Unternehmens im Leistungsbeitrag für die Gesellschaft sieht."  

Mit einem Gesamtbudget von knapp 70 Millionen Euro und 300 Mitarbeitern - davon ein großer Teil Frauen - lässt sich mehr als nur an einem Rädchen drehen, auch wenn die Bildung nur einer von fünf Themenbereichen ist, in denen die Gütersloher Stiftung nach Innovationen sucht.   

Ein Zugpferd der Innovation: Das CHE
Als ein Zugpferd in Sachen Innovation gilt das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE), von der Bertelsmann Stiftung und der Hochschulrektoren-Konferenz 1994 ins Leben gerufen. Das CHE ist ein gutes Beispiel für die Strategie der Bertelsmann Stiftung, nicht innerhalb des Systems zu fördern und zu experimentieren, sondern die Strukturen zu verändern: Die Debatte um Studiengebühren wäre kaum so weit gekommen, wenn sie vom CHE nicht angestoßen worden wäre und das Hochschul-Ranking, dass das Centrum jedes Jahr veröffentlicht, setzt Qualitätsmaßstäbe, die mittlerweile als feste Größe im Hochschulwesen gelten. Autonomie, Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Hochschulen sind einige Eckpfeiler in der Reformwerkstatt des CHE.  

Im Saarland zum Beispiel entwickelte das CHE neue staatliche Steuerungsinstrumente, die eine moderne Haushaltsführung der Hochschulen ermöglichen sollen. Das Resultat: Im Juli 2004 vereinbarten die saarländische Universitätspräsidentin Margret Wintermantel und der saarländische Wissenschaftsminister Jürgen Schreier Ziel- und Leistungsvereinbarungen für die Hochschulen für die Jahre 2004 bis 2006. Statt Regulierungen und Detailanweisungen sollen die Hochschulen im Saarland nun in einem bestimmten Rahmen das Steuer, auch in finanzieller Hinsicht, selbst übernehmen. 

Ein Grundprinzip des CHE, das sich auch als Beratungsstelle versteht, ist der Blick über den eigenen Tellerrand: Erfolgsmodelle aus dem Ausland sollen auf deutsche Hochschulen übertragen werden. In der aktuellen Diskussion um die Bachelor- und Master-Studiengänge warnt das CHE in Gütersloh vor der Gefahr, die neuen Abschlüsse in Deutschland in ein zu enges Korsett zu pressen. In Kanada, den USA, England und Australien, so eine Studie des CHE, sei die Vielfalt deutlich größer als hierzulande. 

Kritik an der "Bertelsmannisierung" der Bildungspolitik
Diese aktive Beteiligung am Reformprozess, verbunden mit einem nicht unbeträchtlichen Einfluss, wird natürlich nicht von allen Seiten begrüßt: Kritiker warnen vor einer "Bertelsmannisierung" der Bildungspolitik oder sprechen spöttisch vom "heimlichen Bildungsministerium" in Gütersloh. Doch eine Stiftung kann, sei sie auch so groß und einflussreich wie die Bertelsmann Stiftung, keine bildungspolitischen Alleingänge unternehmen. Sie ist, will sie Erfolg haben, schließlich auf die staatlichen Entscheidungsträger angewiesen und muss die Zusammenarbeit suchen.

Und das tut sie auch. Nach dem PISA-Schock erhöhte die Bertelsmann Stiftung das Tempo, im Bildungswesen dringend notwendige Reformen voranzubringen. Im Modellprojekt "Selbstständige Schule" zum Beispiel testen 300 Schulen in Nordrhein-Westfalen bis 2008 eine Selbstständigkeit auf Zeit. Mit an Bord, anders ginge es auch nicht, ist die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen.

Dr. Ambros Schindler, Geschäftsführer des Stifterverbandes, teilt die Kritik am Einfluss der großen Stiftungen nicht: "Pauschal ist diese Kritik an den Stiftungen eben nicht gerechtfertigt. Natürlich setzen die Stiftungen den Staat mit erfolgreichen Modellprojekten unter Druck, diese Lösungsansätze dann flächendeckend einzuführen. Aber das ist ja ein heilsamer Druck. Es ist doch toll, wenn eine Stiftung ohne den Staat Geld zu kosten eine Vorleistung erbringt und Dinge ausprobiert, die der Staat adaptieren kann, wenn sie funktionieren." 

Ein Abbild der bildungspolitischen Brennpunkte
Die Stiftung aus Gütersloh stellt aber nicht nur das Bildungssystem auf den Prüfstand, sondern auch sich selbst: Pünktlich zum 25-jährigen Jubiläum wurde die Stiftung im Jahr 2002 umstrukturiert - weniger Projekte, gestraffte Themenbereiche und eine selbst auferlegte Messlatte, bei der Bildungsprojekte sich an internen Qualitätsmaßstäben messen lassen müssen.  

Die Schwerpunkte der Bertelsmann Stiftung sind auch ein Abbild der bildungspolitischen Brennpunkte in Deutschland: frühe Förderung von Kindern, Vernetzung und Selbstständigkeit von Bildungseinrichtungen und eine innovative Bibliothekspolitik. "Diese Schwerpunkte machen zugleich deutlich, an welchen Stellen aus unserer Sicht der größte Handlungsbedarf besteht - durch alle unsere Projekte wollen wir dem Bildungssystem an entscheidenden Stellen die nötigen Impulse geben, damit es den gesellschaftlichen Anforderungen der Zukunft gerecht werden kann. Es geht um besseres Lernen ein ganzes Leben lang", bestätigt Dr. Christof Eichert, Leiter des Themenfeldes Bildung der Bertelsmann Stiftung.  

Während andere Großunternehmen gerade für sich  "Corporate Citizenship" entdecken, also ein gesellschaftliches Engagement, dessen Glanz auch auf das eigene Unternehmen abstrahlen darf und soll, ist die Bertelsmann Stiftung schon einen Schritt weiter: Sie soll nicht nur Motor, sondern ein Markenname im Reformprozess werden. Und einen guten Teil der Wegstrecke zu einem Gütesiegel "Made in Gütersloh" hat die Stiftung schon hinter sich.

Autor(in): Udo Löffler
Kontakt zur Redaktion
Datum: 26.08.2004
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